HNA – „Crash Art“: Ehrenamtliche Darsteller werden zu Unfallopfern

Schön blutig muss es sein: Bevor die Übung beginnt, schüttet Jochen Radtke Kunstblut nach. © Hanna Maiterth

Mit viel Schminke und Spezialeffekten stellen Ehrenamtliche der Gruppe „Crash Art“ bei Einsatzübungen von Rettungskräften die Unfallopfer dar.

Kreisteil Hofgeismar – Ein rotes Rinnsal bahnt sich über die Schläfe einer jungen Frau und tropft auf ihren Pulli. Mit einer Platzwunde an der Stirn und einem blutverschmierten Gesicht sitzt sie auf dem Beifahrersitz eines Autos, das unter einem Kleinflugzeug klemmt. Am Steuer: ihr Freund. Ein Metallstab ragt aus seinem Bauch. Das Geräusch von Sirenen wird lauter. Ein Feuerwehrauto und ein Rettungswagen bleiben in unmittelbarer Nähe stehen.

Die Szene ist gestellt. Sie diente erst kürzlich den Rettungskräften, beim Zirkeltraining des Kreisfeuerwehrbandes Hofgeismar als Übung. Seit mittlerweile 17 Jahren unterstützt „Crash Art“ Feuerwehren, Sanitäter, Notärzte und Polizei bei Übungseinsätzen in Nordhessen mit verletzten Personen. „Hauptsächlich machen wir das ehrenamtlich“, sagt Jochen Radtke. Er hat die Gruppe gegründet, kümmert sich um das Organisatorische und übernimmt neben zwei weiteren Mitgliedern das Schminken.

„Crash Art“ sei aber kein Unternehmen und auch kein Verein. „Wir sind eine Interessengemeinschaft. Es gibt keine regelmäßigen Treffen.“ Wenn sie für Übungen angefragt werden, komme, wer Zeit und Lust hat. Sie verdienen nichts daran. Aber eine Aufwandsentschädigung gäbe es. Diese decke die Material- und die Fahrtkosten. Eine Ausnahme gibt es: „Wenn unsere Auftraggeber Geld von ihren Teilnehmern nehmen, dann machen wir auch Geld.“

Verbrennung aus Wachs, Schminke und Vaseline. © Maiterth, Hanna

„Crash Art“: Rettungskräfte auf den Ernstfall vorbereiten

Als Radtke, der selbst beim Deutschen Roten Kreuz aktiv ist, in die Organisation von Notarztkursen im Kasseler Raum eingebunden wurde, entstand die Idee zu „Crash Art“. „Ich habe mich belesen und fortgebildet“, erinnert sich der hauptberufliche Tatortreiniger.

Es gehe darum, ein realistisches Szenario darzustellen, um Rettungskräfte durch die Übungen auf den Ernstfall vorzubereiten. Kunstblut, Wunden und Verletzungen gehörten deshalb ebenso dazu, wie Kenntnisse zum Verletzungsmuster. „Das macht die Unfalldarstellung viel plastischer. Liegt ein Patient vor dir, blutet und wimmert, ist das etwas ganz anderes als in der Theorie.“

Das gekonnt darzustellen, sei den Darstellern von „Crash Art“ auch deshalb möglich, weil viele von ihnen aus dem medizinischen Bereich kämen. „Sie wollen die andere Seite sehen. Erleben, wie es für die Patienten ist“, weiß Radtke. Wenn man selbst „auf dem Boden gelegen“ oder „aus einem Auto rausgeschnitten“ werden musste, könne man sich annähernd in die Situation hineinfühlen.

Platzwunde aus Wachs, Kunstblut und Kerbe. © Maiterth, Hanna

Zusammensetzung der „Crash Art“-Akteure ändert sich ständig

Das ist auch einer der Gründe, aus dem Benjamin Brüggemann als Darsteller bei „Crash Art“ dabei ist. Der 19-jährige Trendelburger macht derzeit seine Ausbildung zum Rettungssanitäter. Im nächsten Jahr will er Medizin studieren. „Und es macht Spaß“, fügt er grinsend hinzu. Die Zusammensetzung der „Crash Art“-Akteure ändere sich ständig, sagt Radtke. „Als Darsteller mache ich das vielleicht zwei bis drei Jahre. Dann habe ich alles gesehen.“ Auch die Anzahl der Mitglieder schwanke. In starken Zeiten seien es bis zu 20, in schwachen nur die Hälfte.

Durch die vergangenen Corona-Jahre befinde sich die Interessengemeinschaft in einer schwächeren Phase. Neue Darsteller seien daher immer gerne gesehen. (Hanna Maiterth)

Blut unter Innereien

Die Verletzungen schminkt die Interessengemeinschaft „Crash Art“ selbst. Mit Wachs, Vaseline, Seife und auch Obst. Das Blut, erklärt Gründer Jochen Radtke, wird aus Flüssigseife und Lebensmittelfarbe angerührt. Platzwunden werden mit Wachs und einer Einkerbung simuliert, Verbrennungen mit schwarzer und roter Farbe sowie Vaseline. Sollen schwere Verletzungen dargestellt werden, bei denen Innereien wie Hirnmasse gefragt sind, werden Bananen zerquetscht und anschließend mit dem angerührten Blut untergehoben. „Bananen ähneln dem menschlichen Fettgewebe. Die Masse bekommt eine Struktur“, erklärt Radtke. „Das ist anwenderfreundlich und riecht gut.“ (phm)